(Be-)Deutungsansprüche in qualitativer Forschung

Ziele und Fragen der Tagung

  

„Das postmoderne Wissen ist nicht allein das Instrument der Mächte. Es verfeinert unsere Sensibilität für die Unterschiede und verstärkt unsere Fähigkeit, das Inkommensurable zu ertragen. Es selbst findet seinen Grund nicht in der Übereinstimmung der Experten, sondern in der Paralogie der Erfinder.“ (Lyotard 1999: 16; Erstveröffentlichung 1982)

 

 

Ziele und Fragen der Tagung

In den Debatten um qualitative Forschung ist eine wachsende Bereitschaft zu bemerken, die eigenen theoretischen Ansprüche reflexiv zu wenden: Wissensproduktion wird zunehmend als ein Prozess anerkannt, in dessen Verlauf Akteure nicht primär feststehenden Regeln folgen, sondern immer wieder neu zahlreiche methodische Entscheidungen treffen (müssen), die wiederum starke Implikationen für das produzierte Wissen haben. Manches wird sichtbar (und artikulierbar), anderes nicht.

Zugleich legitimiert sich die Sozialwissenschaft aus gutem Grund gerade dadurch, dass sie nicht nur „irgendein“ Wissen (etwa als subjektives Erfahrungswissen) oder einfach neue Perspektiven produziert, sondern dass sie – wenn schon keine endgültige Wahrheit möglich ist – doch intersubjektiv bedeutsame und spezifisch fundierte Deutungen sozialer Wirklichkeit beanspruchen kann. Wie lässt sich dieser klassische Deutungs- und Bedeutungsanspruch mit den vielen anderen Ansprüchen vereinbaren, die derzeit in der Rede von den Dezentrierungen des Subjektes und der Krise der Repräsentation im Diskurs der qualitativen Methoden verhandelt werden?

Die Tagung ging von der Prämisse aus, dass qualitative empirische Sozialforschung ihre Akteure mit einer Reihe struktureller Widersprüche und Paradoxien konfrontiert, sobald diese ihre theoretischen Ansprüche auf die eigene konkrete Wissensproduktion anwenden und weiterhin als Wissenschaftler_innen ernst genommen werden wollen. Diskutiert wurden dabei mögliche Strategien, die qualitativ Forschende in ihrem konkreten Forschungshandeln entwickeln, um mit solchen Widersprüchen umzugehen. In diesem Sinn wurde beispielhaft gefragt:

Wie lassen sich selbstkritische und reflexiv gewendete theoretische Ansprüche mit der Begründungslogik qualitativer empirischer Sozialforschung vereinbaren? Wo „muss“ die Partizipation der Beforschten enden, damit das produzierte Wissen noch als wissenschaftliches anerkannt und nicht als politische „Betroffenheitsaktion“ diskreditiert wird? Welche Strategien gibt es für einen produktiven Umgang mit Subjektivität im Forschungsprozess? Wie repräsentieren postkoloniale Theoretiker_innen die Stimmen ihrer Beforschten? Wie gehen (nicht nur) feministische Forscher_innen mit der konstitutiven Machtasymmetrie in der Forschungsbeziehung um? Welche Möglichkeiten gibt es, die methodologischen Herausforderungen des Umgangs mit Differenz und Diversität in qualitativer Forschung fruchtbar zu machen, ohne ein methodologisches Othering zu produzieren?  Wie kann eine von Foucault inspirierte Wissensproduktion aussehen? Welche Ansprüche stellt (selbst-)kritische Sozialwissenschaft heute – an sich selbst, ihren wissenschaftlichen Deutungswert und die über den wissenschaftlichen Diskurs hinausgehende Bedeutungsreichweite ihrer Erkenntnisse?

Hintergrundinformationen zur Tagung
Methodentagung Frankfurt Mai 2012.pdf
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News

 

We would like to thank all participants for their contributions to a inspiring conference and look forward to continuing the discussion that we have just begun!