(Be-)Deutungsansprüche in qualitativer Forschung

Posterpräsentationen

 

Empirie und Engagement: „Österreich“ in erzählten Lebensgeschichten von Menschen aus Togo, die in Österreich leben.

 

Gabriele Pessl (Wien)

 

 

Eine Auseinandersetzung mit „(Be-)Deutungsansprüchen in qualitativer Forschung“ hat den Forschungsprozess im Zuge der Erstellung meiner Diplomarbeit nicht nur begleitet, sondern inhaltlich geprägt. Mit der Ausgangsfrage nach der „Konstruktion von Österreich“ wurde in der Arbeit Österreich zu einem Ort gemacht, der im Zusammenhang mit Migrationsforschung explizit aus der Perspektive von „MigrantInnen“ Gegenstand wissenschaftlichen Interesses ist. Mit einem qualitativen Ansatz wurden biografisch-narrative Interviews mit Menschen aus Togo, die in Österreich leben, geführt und rekonstruktiv interpretiert.

 

Jene Erkenntnisse, die auf einer methodologischen Ebene festgehalten werden, sind ein integraler Bestandteil der Forschungsergebnisse dieser Arbeit. Ein Rückblick auf die Ausgangsfragestellungen sowie deren Adaption im Zuge der Forschung führt schließlich zu den Ergebnissen, die am Ende des Prozesses stehen. Diese adaptierte Forschungsfrage richtet sich auf denjenigen Kontext, in den die Herstellung eines Wissens über Österreich seitens von “MigrantInnen“, spezifischer seitens von Menschen, die aus Togo kommen und in Österreich leben, eingebettet ist. Denn eine Konstruktion von Österreich kann nicht ohne die selbst erfahrenen Zuschreibungen stattfinden. Ein Wissen über Österreich entsteht vielmehr in einem Kontext von diskursivem Wissen, mit dem Menschen aus Togo konfrontiert werden, und das sich auf ein Wissen über „Afrika“ und dessen (u.a. rassistische) Spezifika bezieht. Die beiden Figuren „öffentlicher Raum“ und „alte Frau“ stehen im Zentrum dieser Erkenntnis. Sie bezeichnen ein spezifisches Wissen über Österreich, das in dem erwähnten diskursiven Zusammenhang hergestellt wird und verweisen vor allem auf dessen Funktionalität.

 

Dieses Ergebnis zeigt sich auch auf einer weiteren Ebene, nämlich im Rahmen des Forschungs-prozesses. So wurden in den Interviewsituationen Teile eines Diskurses reproduziert, von dem sich die BiografInnen abgrenzten, auf den sie aber auch Bezug nahmen. Die Einstiegsfrage: „Erzählen Sie mir Ihr Leben, seitdem Sie zum ersten Mal von Österreich gehört haben“ wurde beispielsweise als Aufforderung, die eigene Anwesenheit in Österreich zu rechtfertigen, interpretiert. Dies steht in Zusammenhang mit einem Diskurs, der die Anwesenheit von Menschen aus Togo in Österreich hinterfragt und zu etwas Erklärungsbedürftigem macht. Und es erklärt, warum sich die erzählten Lebensgeschichten auch als Distanzierung von dieser Einstiegsfrage gestalteten. Die Interviews gestalteten sich auch als Auseinandersetzungen mit Macht: Inwiefern müssen einerseits die Ausführungen für die Weiße Interviewerin verträglich gemacht werden? Was kann wie angesprochen werden? Denn indem von Österreich die Rede ist, wird auch die Interviewerin adressiert.

 

Diese und weitere Reflexionen wurden im Rahmen der Arbeit nicht nur in Überlegungen, die den Forschungsprozess begleiten, einbezogen, sondern im Rahmen der Ergebnisdarstellung aufgegriffen. Der Rahmen, in dem die Ergebnisse – in diesem Sinne wissenschaftlichen (Re)Konstruktionen – zustande gekommen sind, ist selbst Teil der Analyse. Dies wurde von der Autorin mit dem Begriff „engagierte empirische Perspektive“ bezeichnet.

 

Poster Presentation Pessl
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